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Sonderflug nach Moskau

Flugmeldung der Lufthansa

Am 8. September 1955 begibt sich Konrad Adenauer auf eine Reise der besonderen Art. Zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs und schon mitten im Kalten Krieg folgt er einer Einladung aus Moskau. Dort will man über die Aufnahme diplomatischer Beziehungen verhandeln. Für Adenauer steht fest: Nicht ohne Gegenleistung. Wenn die deutsche Wiedervereinigung nicht Gegenstand der Verhandlungen sein kann, dann muss es die Freilassung der letzten Kriegsgefangenen sein.

Das Sonderflugzeug, eine von der Bundesregierung gecharterte Maschine der Lufthansa, startet an jenem Donnerstag um 9:45 Uhr von Köln – Wahn. Auf dem Ticket handschriftlich, scheinbar belanglos vermerkt: Herr D. Konrad Adenauer, von Köln, nach Köln, über Moskau. Das Ticket ist gleichzeitig Gepäckgutschein. 

Mit an Bord sind Regierungsvertreter, Kai Arnold, Kurt Georg Kiesinger und Carlo Schmid, einziger Vertreter der SPD, sowie 19 weitere Personen, darunter ein Arzt, ein Kellner, Sekretärinnen, Übersetzer und ein Journalist. Eine zweite Maschine mit 30 weiteren Delegationsmitgliedern ist schon unterwegs.

Der Flug bei herrlichstem Wetter dauert 4 ½ Stunden. Zeit für Unterhaltungen, auch vertrauliche. Adenauer spricht lange mit Herbert Blankenhorn über die verschiedenen außenpolitischen Schritte, die zu dieser Reise geführt haben, und wie eigentümlich sie beide doch finden.

In Moskau werden die Deutschen von Regierungschef Nikolai Bulganin, Außenminister Wjatscheslaw Molotow und einer großen Zahl weiterer sowjetischer Funktionäre mit militärischen Ehren empfangen. In einer Autokolonne geht es schließlich durch die Stadt zum Hotel Sowjetskaja, wo die deutsche Delegation auf zwei Etagen, dem so genannten Bundeskanzler- und dem Bundesratsgeschoss, untergebracht ist. Direkt neben Konrad Adenauers Zimmer (201) liegt das Zimmer zweier mitgereister Kriminaloberkommissare.

Gegen 19 Uhr am selben Tag findet eine erste Besprechung im Sonderzug statt, mit dem das technische Personal von Bonn nach Moskau gefahren ist. Der Zug ist abhörsicher, anders als, wie befürchtet, die Hotelzimmer. Es werden die Verhaltensregeln für die Dauer des Aufenthalts festgelegt. Dazu gehört: Vor jedem Treffen oder jeder Besprechung einen Esslöffel Olivenöl schlucken, um sich gegen die Wirkung von Wodka zu wappnen.

Nach fünf intensiven zum Teil dramatischen Verhandlungstagen wird endlich am 14. September 1955 eine Einigung erzielt: Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen gegen die Freilassung der restlichen fast 10.000 Kriegsgefangenen und 20.000 Zivilinternierten aus zehnjähriger russischer Gefangenschaft. Zwischen Oktober 1955 und Januar 1956 kommen die Gefangenen frei und zurück nach Hause, die Bundesrepublik und die Sowjetunion eröffnen Botschaften im jeweils anderen Land. 

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