Nachruf auf Rudolf Morsey
Die Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus trauert um Prof. Dr. Dr. h.c. Rudolf Morsey, den langjährigen Vorsitzenden ihres wissenschaftlichen Beirats, der am 14. Mai 2024 im Alter von 96 Jahren verstorben ist.
Rudolf Morsey hat das Profil der Stiftung seit ihren Anfängen nachhaltig geprägt. Bereits drei Jahre nach dem Tode Adenauers wurde er 1970 in den neu konstituierten Beirat berufen, dem er von 1988 bis 2001 vorsaß. Nach 48jähriger Mitgliedschaft zog er sich 2018 zurück. Kein Gremienmitglied hat je länger in Rhöndorf gewirkt.
Morseys weitreichende Expertise war mit der Auswertung des schriftlichen Adenauer-Nachlasses verknüpft, dessen wissenschaftlich abgesicherte Veröffentlichung er gemeinsam mit Hans-Peter Schwarz als Herausgeber der „Rhöndorfer Ausgabe“ betreute. 19 Editionsbände sind unter der Ägide des Duos „Morsey/Schwarz“ erschienen, angefangen von den „Briefen 1945–1947“ (1983) bis zur koalitionspolitischen Themenpublikation „Adenauer und die FDP“ (2013). Dass die Edition anerkannt hohe Standards etablierte, verdankte sie nicht zuletzt Morseys intensivem Herausgeberlektorat, das keineswegs nur auf konzeptionelle Fragen beschränkt war, sondern auch kleinste Details des Anmerkungsapparats umfasste und somit stets auf die Qualität des Gesamtprodukts abzielte.
Seit den 1970er Jahren zählte Rudolf Morsey zu jener Forschergruppe, die sich im Umfeld der Stiftung intensiv mit Politik und Persönlichkeit des ersten Bundeskanzlers beschäftigte. Wie Hans-Peter Schwarz 1986 im Nachwort des ersten Bandes seiner großen Adenauer-Biografie vermerkte, war sein Name hier gar „an erster Stelle“ zu nennen. Als Forum des wissenschaftlichen Austauschs dienten die jährlich stattfindenden „Rhöndorfer Gespräche“, die Morsey nutzte, um seine Untersuchungen über Adenauers frühe Nachkriegskarriere (1979) und das Verhältnis zum Deutschen Bundestag (1985) vorzustellen. Diese Akzentsetzungen entsprachen einem übergeordneten Interesse an der Gründung der Bundesrepublik Deutschland, der Entwicklung der Parteien als Foren der politischen Willensbildung und des Parlamentarismus als Strukturprinzip der demokratischen Staatsordnung.
Der gebürtige Westfale des Jahrgangs 1927 war selbst ein Zeitzeuge der Ära Adenauer, deren Institutionen- und Parteiengeschichte er so intensiv durchdrang. Seine Forschungsschwerpunkte reichten freilich noch weit darüber hinaus – von der Dissertationsschrift zur „obersten Reichsverwaltung unter Bismarck“ (1957) über den politischen Katholizismus und das „Ende der Parteien 1933“ (1960) bis hin zu dem frühen Hitler-Gegner Fritz Gerlich, dem er noch 2016 ein Lebensbild widmete. Der Umfang von Morseys herausgegebenen und verfassten Publikationen ist gewaltig, das Schriftenverzeichnis von 1949 bis 2017 listet 1339 einzelne Titel.
Aus dieser historischen Gesamtperspektive näherte sich Morsey auch Konrad Adenauer, der neben Heinrich Brüning und Heinrich Lübke (1996) im Zentrum seines biografischen Interesses stand. In zahlreichen Einzelstudien beleuchtete er Adenauers Rheinlandpolitik nach dem Ersten Weltkrieg, den kommunalpolitischen Führungsstil des Kölner Oberbürgermeisters oder seine Erfahrungen in der nationalsozialistischen Diktatur zwischen 1933 und 1945. Von diesen bahnbrechenden Arbeiten, vorbildlich in ihrer analytischen Tiefenschärfe und methodischen Quellenauswertung, profitiert die Adenauerforschung bis heute.
Morsey war persönlich ungemein integer und unbestechlich im Urteil. Mit ihm verliert die Stiftung eine Gründungsfigur von prägender Bedeutung, deren Andenken sie in Ehren halten wird.
Auf dem geschichtswissenschaftlichen Fachportal H-Soz-Kult ist eine ausführliche Würdigung Rudolf Morseys von Michael Borchard (Konrad-Adenauer-Stiftung) und Holger Löttel (Stiftung Bundeskanzler-Adenauer-Haus) erschienen. Mehr