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Der Rossebändiger

Ein Symbol für die deutsch-österreichischen Beziehungen in der Nachkriegszeit

Der Rossebändiger ist ein Motiv aus der griechischen Mythologie. Mit der Zähmung des Rosses bezwingt der Mensch nicht nur die wilde Natur, sondern auch die dunkle Seite in sich selbst. In Österreich fungiert er als Symbolfigur des Parlamentarismus. Wenn die Abgeordneten die Auffahrt des Wiener Parlamentsgebäudes beschreiten, werden sie von vier Bronzeplastiken des Bildhauers Josef Lax gemahnt, ihre Leidenschaften zu zügeln und der politischen Vernunft den Vorzug zu geben.

Eine Miniaturausgabe des Rossebändigers, gefertigt in der Porzellan-Manufaktur Augarten, wurde Konrad Adenauer bei einem Österreich-Besuch im Juni 1957 überreicht. Das Geschenk besaß einen gewissen Hintersinn, waren die politischen Beziehungen beider Länder doch mehr von emotionaler Erregung als ruhiger Sachlichkeit geprägt.

Die Probleme wurzelten in der kontroversen Auslegung der jüngsten Vergangenheit. Während die österreichische Regierung Österreich offiziell als Opfer der nationalsozialistischen Gewaltpolitik verstand, erinnerte man sich in Bonn noch gut daran, wie 1938 in Wien über 100.000 Menschen Adolf Hitler zugejubelt hatten. So sehr ihn die „Opferthese“ auch befremdete, war Adenauer an einer Entkrampfung der Beziehungen zu Österreich gelegen. In Wien absolvierte er daher ein dichtes Programm und gab sich betont herzlich. Seine Charmeoffensive verfehlte ihre Wirkung nicht. Der Besuch wurde ein voller Erfolg, zumal auch strittige Eigentumsfragen durch die Unterzeichnung des Vermögensvertrags geregelt werden konnten.

Rückblickend verleiht der Rossebändiger der komplexen Gemengelage der deutsch-österreichischen Nachkriegsbeziehungen, ihren Belastungen ebenso wie ihrer Normalisierung, einen passenden Ausdruck.